Ein großräumiges EU-Vogelschutzgebiet auf weiten Teilen der Stadtgebiete von Brilon und Marsberg soll nach Vorstellungen der NRW-Landesregierung an die EU-Kommission gemeldet werden.
Rund 12.400 ha überwiegend zusammenhängender Buchen- und Mischwälder sowie angrenzender Grünflächen umfasst das geplante Schutzgebiet „Diemel- und Hoppecketal mit Wäldern bei Brilon und Marsberg“. Dort ist der Brut- und Lebensraum vieler seltener Vogelarten, die in der EU-Vogelschutzrichtlinie als schutzbedürftig eingestuft sind - allen voran der Neuntöter, der Raubwürger und der Grauspecht. Dieser Auffassung jedenfalls ist der Verein für Natur- und Vogelschutz im HSK, der nach jahrelangen Kartierungen die Meldung dieses Gebietes vorgeschlagen hat. Das zuständige Landesamt für Naturschutz (LANUV) „hat sich dieser Bewertung im Kern fachlich angeschlossen und das Meldeverfahren eingeleitet. Das Vogelschutzgebiet „Diemel- und Hoppecketal“ wäre nach jetzigem Vorschlag annähernd so groß wie das VSG Medebacher Bucht (knapp 14.000 ha), jedoch deutlich kleiner als das größte Gebiet dieser Art in NRW, die Hellwegbörde im Kreis Soest (48.000 ha).
Anhörungsverfahren Dezember 2020 bis September 2021
Die Öffentlichkeit wurde erstmals im Dezember 2020 mit der geplanten Gebietskulisse konfrontiert. Kurze Beteiligungsfristen und die Verunsicherung über reduzierte Entwicklungsperspektiven sorgten für Kritik und Verärgerung bei Politik und betroffener Wirtschaft. Daraufhin war die ursprüngliche Beteiligungsfrist ausgeweitet worden. Doch die Einflussmöglichkeiten waren gering, da ausschließlich naturschutzfachlich begründete Bedenken Einfluss auf die Entscheidung haben.
Im Anhörungsverfahren hat die IHK Arnsberg per Rundschreiben und Direktansprache zahlreiche betroffene Unternehmen kontaktiert und informiert. Hierrüber sind Anregungen und Hinweise aus der Unternehmerschaft eingegangen. Auf deren Grundlage wurde eine umfassende Stellungnahme erarbeitet.
Planungsunsicherheit
Eine Meldung an die EU-Kommission und in der Folge eine Aufnahme in die Liste der Europäischen Natura2000-Gebiete verpflichtet die Landesregierung zu geeigneten Schutzmaßnahmen mit dem Ziel, Verschlechterungen des Lebensraums der für das Gebiet wertgebenden Vogel-Arten zu unterbinden und so die Population „in einen günstigen Erhaltungszustand“ zu bringen. Dazu ist für sämtliche Pläne oder Projekte, die das Gebiet von innen und von außen erheblich beeinträchtigen können, eine Verträglichkeitsprüfung durchzuführen. Kommt diese zu einem negativen Ergebnis, ist eine Realisierung des Vorhabens nur über eine Ausnahmegenehmigung möglich. Vorausgesetzt, das Vorhaben ist in dieser Form und an diesem Standort alternativlos und es besteht ein festgestelltes besonderes öffentliches Interesse an dem Vorhaben. Besonders pikant dabei: Solche Ausnahmen sind im gegenwärtigen Zustand eines potenziell geeigneten, aber noch nicht an die EU-Kommission gemeldeten Vogelschutzgebietes aufgrund der EuGH-Rechtsprechung nicht möglich. Dadurch entsteht ein Zeitdruck, das Gebiet zu melden, um den derzeitigen Schwebezustand aufzuheben, der einer Veränderungssperre gleichkommt.
Besonders zu beachten ist: Für Vogelschutzgebiete gilt ein Umgebungsschutz von im Regelfall 300m, innerhalb dessen die Verträglichkeit von Plänen und Projekten auf das Schutzgebiet zu prüfen ist. Hierdurch erweitert sich der Kreis der Betroffenen, denn einige Unternehmen oder Betriebsanlagen befinden sich in diesem Umgebungsbereich.
Auswirkungen des Meldeverfahrens
- Erfordernis einer Verträglichkeitsprüfung für „Pläne und Projekte“ (z. B. gewerbliche Bauvorhaben außerhalb festgesetzter Gewerbegebiete, Steinbrüche, Windparks und Einzelanlagen, Straßeninfrastruktur, Bauleitplanung der Städte), dabei Berücksichtigung eines Umgebungsschutzes von i. d. R. 300 m.
- Ausnahmen bei negativer Verträglichkeitsprüfung (erhebliche Beeinträchtigung durch ein Vorhaben) nur bei fehlender zumutbarer Alternative und überwiegendem öffentlichen Interesse (auch sozialer und wirtschaftlicher Art).
- Behördliche Sicherung des Gebietes vor erheblichen Beeinträchtigungen der Lebensräume und der Arten.
- Der genehmigte Bestand von Anlagen sowie Planungen, die durch die Bauleitplanung der Städte eine Rechtsgrundlage finden, sind nicht berührt.
Stand August 2023