Systemstudie Klimaneutralität

Deutschland auf dem Weg zur Klimaneutralität 2045

Erstmals zeigt die von verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen aufgestellte Szenarienanalyse für Deutschland konkrete Wege zur Klimaneutralität 2045 auf.

Wir haben die - unseres Erachtens - wichtigsten Erkenntnisse und Zahlen zusammengestellt:


Essentials:

  1. Die zentralen Energieträger in einem klimaneutralen Energiesystem sind hauptsächlich "erneuerbarer" Strom, grüner
       Wasserstoff und grüne E-Fuels sowie nachhaltig erzeugte Biomasse.

  2. Eine zunehmend erneuerbare Stromversorgung ist die tragende Säule der weiteren Dekarbonisierung des gesamten
       Energiesystems.

  3. Die direkte Elektrifizierung des Energieverbrauchs spielt eine zentrale Rolle. Die direkte und indirekte Elektrifizierung der
      Energienachfrage führt zu einer massiven Zunahme des nationalen Bruttostrombedarfs um 23-34% bis 2030 und 70-170% bis
      2045 gegenüber 2019.

  4. In der Sektorkopplung liegt ein hohes Flexibilisierungspotenzial, das zum Ausgleich der volatilen erneuerbaren Erzeugung
      genutzt werden muss.

  5. Die Steigerung der Energieeffizienz muss bis 2045 zu einem Rückgang des Endenergieverbrauchs um
       34-59 % gegenüber 2019 leisten.

  6. Die Klimaneutralität 2045 erfordert die Erschließung von Senken zur CO2-Entnahme. Es gibt verschiedene Optionen zur
       CO2-Entnahme, deren technisches Potenzial sich bis 2045 auf über 100 MtCO2 summieren könnte.

  7. Die Energiewende bringt einen erheblichen Zusatznutzen für die Gesundheit, geht aber auch mit neuen Herausforderungen auf
      anderen Umwelthandlungsfeldern einher. Selbst bei vollständigem Recycling könnte der Primärmaterialbedarf an Kobalt,
      Nickel, Vanadium und Lithium den gesicherten deutschen Anteil der weltweiten Reserven übersteigen.

  8. Die Klimaschutz-Ziele für 2030/2045 sind extrem herausfordernd und können nur mit massiven Investitionen, zusätzlichen
       politischen Maßnahmen und massivem Infrastrukturaufbau in allen  Sektoren erreicht werden.

  9. Gerechtigkeitsaspekte und Verteilungseffekte spielen nicht nur juristisch (Urteil des Bundesverfassungsgerichtes) eine
       herausragende Rolle.

10. Der aktuelle Politikmix ist nicht ausreichend, um mittelfristig die Sektorziele zu erreichen und bietet vor allem keine
       ausreichenden Anreize für die grundlegende langfristige Transformation.



Waypoints to 2030:

    • Bis 2030 ist eine Verdreifachung der Wind- und PV-Erzeugung auf 550-615 TWh notwendig.

    • Eine deutliche Reduktion der Endenergienachfrage um etwa 35 % bis 2030 durch Effizienzgewinne ist notwendig.

    • Die Dekarbonisierung des Gebäudesektors benötigt bis 2030 eine steigende jährliche Sanierungsrate auf 1,5-2 %, die Installation von etwa 5 Mio. Wärmepumpen, sowie den Neuanschluss von etwa 1,6 Mio. Gebäuden an das Fernwärmenetz.

    • Für die Dekarbonisierung des Verkehrssektors sind bis 2030 mindestens 14 Mio. E-Pkw im Bestand erforderlich.
      Das bedeutet: mindestens 50.000 öffentlich zugängliche Schnellladepunkte in Kombination mit etwa 480.000 öffentlich zugänglichen Normalladepunkten. Darüber hinaus wird die indirekte Elektrifizierung (H2, e-fuels) einen Anteil z.b. im Schwerlastbereich/Luftfahrt etc. leisten müssen.

    • Im Industriesektor müssen bis 2030 CO2 neutrale Verfahren aus dem Pilot- und Demonstrations-Maßstab auf industrielles Niveau skaliert und wirtschaftlich betrieben werden können. Die höchste Minderung bis 2030 mit mehr als 30 MtCO2 entfallen dabei auf den Brennstoffwechsel (für Dampferzeugung und Öfen) hin zu Strom, Wasserstoff und Gas. Die Bereitstellung muss gewährleistet sein.

    • Der Technologiehochlauf von Wasserstoff und E-Fuels muss zügig beginnen, um die hohen Langfristbedarfe in den Sektoren Industrie und Verkehr decken zu können.

    • In der Sektorkopplung liegt ein hohes Flexibilisierungspotenzial, das zum Ausgleich der Erneuerbaren Erzeugung genutzt werden muss.

    • Der Bedarfs an einheimischem erneuerbaren Strom auf etwa 1000 TWh führt zu einem Anstieg des Flächenbedarfs durch Onshore Wind und Freiflächen-PV von heute 0,7 % auf über 3 % der Landesfläche Deutschlands; kann aber durch Rückgang des Biomasseanbaus kompensiert werden.


Background:

Klar ausformuliert sind im Klimaschutzgesetz lediglich die Klimaziele. Doch wie der beispiellose Strukturwandel zur Klimaneutralität 2045 über alle Sektoren hinweg gelingen kann, bleibt offen. Erstmals legt das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Kopernikus-Projekt Ariadne nun einen umfassenden Modellvergleich vor, der robuste Erkenntnisse zu Transformationspfaden, Spielräumen und Engpässen detailliert darlegt. Vom Gesamtsystem über einzelne Sektoren, von der direkten Elektrifizierung über Wasserstoff und E-Fuels bis hin zu Energieimporten: Zehn unterschiedliche Modelle wurden für die Studie integriert und sechs verschiedene Szenarien durchgerechnet.

Hier geht es zur 366 Seiten umfassenden Systemstudie Klimaneutralität: Szenarienanalyse

In Kürze folgt die Aufzeichnung der Vorstellung der Studie. Deep Dives folgen: https://ariadneprojekt.de/


Wer ist Ariadne?
Durch den Faden der Ariadne gelang Theseus in der griechischen Mythologie die sichere Navigation durch das Labyrinth des Minotaurus. Dies ist die Leitidee für das Energiewende-Projekt Ariadne. Im Konsortium von mehr als 25 Forschungseinrichtungen führt Ariadne durch einen gemeinsamen Lernprozess mit Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, erforscht Optionen zur Gestaltung der Energiewende und erarbeitet wichtiges Orientierungswissen für politische Entscheider.

Beteiligte:

adelphi | Brandenburgische Technische Universität Cottbus – Senftenberg (BTU) | Deutsche Energie-Agentur

(dena) | Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) | Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) |

Ecologic Institute | Fraunhofer Cluster of Excellence Integrated Energy Systems (CINES) | Guidehouse Germany |

Helmholtz-Zentrum Hereon | Hertie School | Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) |

ifok | Institut der deutschen Wirtschaft Köln | Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität | Institute For Advanced

Sustainability Studies (IASS) | Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) |

Öko-Institut | Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) | RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung |

Stiftung 2° – Deutsche Unternehmer für Klimaschutz | Stiftung Umweltenergierecht | Technische Universität

Darmstadt | Technische Universität München | Universität Greifswald | Universität Hamburg | Universität Münster

| Universität Potsdam | Universität Stuttgart – Institut für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung

(IER) | ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung


11.10.2021