Parlamentarischer Abend mit Botschafter a. D. Wolfgang Ischinger

Außen- und Sicherheitspolitik wirkt sich auch auf mittelständische Unternehmen aus. Selten wurde der Zusammenhang so deutlich wie seit Ausbruch des Ukraine-Krieges. Aus diesem Grund haben sich die südwestfälischen IHKs Arnsberg, Hagen und Siegen für ihren Parlamentarischen Abend mit dem ehemaligen Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Botschafter a. D. Wolfgang Ischinger, erstklassige Expertise nach Arnsberg eingeladen.  Der Ehrengast sprach vor Unternehmerinnen und Unternehmern aus dem IHK-Ehrenamt sowie den Bundes- und Landtagsabgeordneten aus Südwestfalen. „Als IHKs pflegen wir seit je her einen sehr intensiven Austausch mit der heimischen Politik. Außergewöhnlich ist vielleicht, dass wir einen ausgewiesenen Experten für Sicherheit und internationale Beziehungen eingeladen haben“, stellte der Arnsberg IHK-Präsident Andreas Rother bei seiner Begrüßung heraus.

Andreas Rother verwies auf den Krieg in der Ukraine, den China-Taiwan-Konflikt und die jüngsten Putsche in Afrika: „Die Dichte an Konflikten sorgt bei uns, den Unternehmerinnen und Unternehmern, für Unsicherheit und Handlungsdruck. Was wird aus unseren Betrieben, den Arbeitsplätzen, den Lieferketten sowie unseren Standorten und Partnern im Ausland? Vieles muss neu bewertet und gewichtet werden. Was gestern noch richtig war, kann morgen schon falsch sein.“ Daher sei es doch nicht so außergewöhnlich, dass die IHKs einen Experten für Sicherheit und internationale Beziehungen eingeladen haben, um mit den Vertretern von Wirtschaft und Politik in Südwestfalen zu diskutieren.

In seiner Keynote thematisierte Wolfgang Ischinger das deutsche Verhältnis zu Russland. Aus seiner Sicht sollte Deutschland nicht davon ausgehen, dass die Zeitenwende ein vorübergehendes Problem sei. Vielmehr werde es Jahre dauern, bis es zu einer neuen europäischen Friedensordnung komme. Woran liege es aber, dass Deutschland von den Folgen der Zeitenwende massiver getroffen worden sei als alle internationalen Partner, fragte der ehemalige Botschafter. Seine Antwort: Die alte Bundesrepublik, die 1990 durch den Zusammenschluss mit Ostdeutschland in die jetzige überging, sei ein Anti-Status-quo-Land gewesen. Es sei verfassungsrechtlich und gesellschaftlich dazu angetrieben gewesen, die Teilung Deutschlands zu überwinden. Nach dem 3. Oktober 1990 aber habe Deutschland aufgehört, ein Anti-Status-quo-Land zu sein, analysierte Ischinger. Die Gesellschaft habe eine „Liebesbeziehung mit dem neuen Status-quo“ angefangen. Zum vielfach formulierten Satz „Deutschland ist umgeben von Freuden.“ habe auch die Idee einer sich verstärkenden Partnerschaft zu Russland gehört. Dabei sei es ein bisschen so gelaufen, wie es in einer menschlichen Beziehung vorkommen könne. Der eine Partner ignoriere, dass der andere die Beziehung nicht mehr wolle.

Bei der Frage nach dem Ende des Krieges in der Ukraine zeigte sich Wolfgang Ischinger zurückhaltend. Die Voraussetzung für ein Ende sei, dass bei Putin die Erkenntnis gewachsen ist, dass er mit militärischen Mitteln nicht mehr erreichen könne. Dieser Zeitpunkt sei aber noch weit entfernt, so Ischinger.

Der ehemalige Botschafter in Washington stellte heraus, dass aus dem Krieg in der Ukraine und anderen Konflikten folge, dass es wenige Themen gebe, die so wichtig seien, wie die transatlantischen Beziehungen. In der Vergangenheit seien alle Präsidenten und Präsidentschaftskandidaten für die NATO gewesen. Das habe Donald Trump radikal verändert. Deutschland müsse nun darauf hinwirken, dass die amerikanische Bevölkerung Europa als wichtigen Partner wahrnehme. Er kritisierte, dass die Bundesregierung keinen Plan B hat, wenn Trump ernst mache. Zur Zukunft der Europäischen Union führte der ehemalige Diplomat aus, dass auch Europa vor einer Zeitenwende stehe. 70 Jahre lang sei es die Kernaufgabe der Europäischen Union gewesen, zu integrieren. In Zukunft sei eine Union notwendig, die Bürger, Grenzen und Staaten schütze. Denn angesichts der dysfunktionalen internationalen Beziehungen werde eine europäische Einigkeit wichtiger denn je, zeigte sich Ischinger überzeugt.

Bei der anschließenden Podiumsdiskussion vertiefte Wolfgang Ischinger einige Themen und antwortete auf Fragen aus dem Publikum. Gesprächspartner auf dem Podium waren Ralf Stoffels, geschäftsführender Gesellschafter der BIW Isolierstoffe GmbH mit Sitz in Ennepetal und Präsident der SIHK zu Hagen sowie von IHK NRW, und Christian F. Kocherscheidt, geschäftsführender Gesellschafter der EJOT Holding GmbH & Co. KG mit Sitz in Bad Berleburg und Vizepräsident der IHK Siegen.

Botschafter a. D. Wolfgang Ischinger
Foto: Wolfgang Detemple

Wolfgang Ischinger

Wolfgang Ischinger war Staatssekretär des Auswärtigen Amts und deutscher Botschafter in Washington und London. Von 2008 bis 2022 war er Vorsitzender der Münchner Sicherheitskonferenz und ist seitdem Präsident des Stiftungsrats der Stiftung Münchner Sicherheitskonferenz. Die Münchner Sicherheitskonferenz ist das weltweit größte Debatten-Forum zu den drängendsten internationalen Sicherheitsfragen. In den 14 Jahren als Vorsitzender der Konferenz war Wolfgang Ischinger Gastgeber und Gesprächspartner der Großen der internationalen Politik. Zudem unterrichtet er an der Hertie School in Berlin und ist Honorarprofessor an der Universität Tübingen.

 
Jörg Nolte moderierte die Podiumsdiskussion mit Wolfgang Ischinger, Christian F. Kocherscheidt und Ralf Stoffels.
Foto: Wolfgang Detemple

Jörg Nolte (re.) moderierte die Podiumsdiskussion mit (v.li.) Wolfgang Ischinger, Christian F. Kocherscheidt und Ralf Stoffels.

Wolfgang Ischinger und Christian F. Kocherscheid
Foto: Wolfgang Detemple

Wolfgang Ischinger und Christian F. Kocherscheidt

Andreas Rother
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IHK-Präsident Andreas Rother

Friedrich Merz MdB und Carl Julius Cronenberg MdB
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Friedrich Merz MdB und Vollversammlungsmitglied Carl Julius Cronenberg MdB

Inge Blask MdL und Dirk Wiese MdB
Foto: Wolfgang Detemple

Inge Blask MdL und Dirk Wiese MdB

Wolfgang Detemple
Foto: Wolfgang Detemple

SIHK-Vizepräsidentin Gudrun Winner-Athens und die Arnsberger IHK-Vizepräsidenten Dr. Stephan Guht (re) und Dr. Arne Kohring