„Die wirtschaftliche Lage wird von den Unternehmen am Hellweg und im Sauerland im Vergleich zum Jahresbeginn leicht schlechter bewertet, bleibt aber im Saldo positiv. Damit realisiert sich teilweise die negative Erwartungshaltung vom Jahresbeginn. Inflation sowie Fach- und Arbeitskräftemangel stehen einer dynamischen Entwicklung im Wege – und werden es in den kommenden Monaten weiter tun“, erläutert IHK-Präsident Andreas Rother die Ergebnisse der aktuellen Konjunkturumfrage. An der Umfrage Mitte April haben 433 Unternehmen teilgenommen.
Das Konjunkturklima war im Herbst 2022 aufgrund der großen wirtschaftspolitischen Unsicherheiten auf ein Allzeittief von 67 Punkten eingebrochen. Nach 94 Punkten zu Jahresbeginn steigt es nun auf 101 Punkte. Der Indikator berechnet sich aus den Lage- und Erwartungswerten der Unternehmen und überschreitet damit die Wachstumslinie von 100 Punkten. „Nachdem die Wirtschaft zu Jahresbeginn spürbar aufgeatmet hat, konsolidiert sich die Stimmung nun. Für das Gesamtjahr rechnen wir daher mit maximal einem kleinen Wachstum“, so Andreas Rother.
Ein Viertel der Unternehmen beurteilt die Lage mit „gut“ (13 % „schlecht“), etwas weniger als noch zum Jahresbeginn (30 % zu 14 %). Der Blick in die Branchen zeigt unterschiedliche Tendenzen. Großhandel, Verkehrssektor und Baugewerbe stehen besser da, Industrie und Dienstleistungssektor leicht und Einzelhandel sowie das Gastgewerbe deutlich schlechter. „Wir müssen aber berücksichtigen, dass mit 62 Prozent ungewöhnlich viele Unternehmen ihrer Lage ein ‚befriedigend‘ geben“, analysiert IHK-Hauptgeschäftsführer Jörg Nolte. „Die große Mehrheit der Unternehmen steht also solide da und stabilisiert die Konjunktur.“ Die Ertragslage hat sich zum vierten Mal in Folge verschlechtert. Besonders viele Unternehmen aus Industrie, Bau und Einzelhandel melden niedrigere Erträge. „Die anhaltenden Krisen zehren die Erträge auf. Die Politik darf jetzt nicht noch mehr Bürokratielasten schaffen, die die Produktivität hemmen“, fordert Jörg Nolte.
Der Trend zu einer positiveren Sicht auf die kommenden Monate hat sich bestätigt. Nach dem Einbruch im Herbst – damals erwarteten 61 Prozent (!) schlechtere Geschäfte – und 36 Prozent zum Jahresbeginn blicken jetzt nur noch 27 Prozent der Unternehmen pessimistisch in die Zukunft. Die Zahl der Optimisten steigt von 3 Prozent im Herbst und 13 Prozent am Jahresanfang auf nun 18 Prozent. Unter dem Strich überwiegen aber weiter die negativen Erwartungen. Auch in den einzelnen Branchen – außer den Dienstleistungen – sind die Pessimisten in der Mehrheit. In Industrie, Bau, Einzelhandel und Verkehr fallen die Erwartungen aber deutlich besser, im Großhandel etwas besser aus als zu Jahresbeginn. Bei den Dienstleistern halten sich Optimisten und Pessimisten die Waage. Nur im Gastgewerbe haben sich die Erwartungen eingetrübt. „Wir sehen, dass die Zuversicht langsam zurückkehrt, die Unternehmen Lösungen finden und sich neu aufstellen. Optimistisch blickt die Wirtschaft aber noch nicht in die Zukunft, obwohl die Unwägbarkeiten geringer sind als 2022. Die Herausforderungen sind immer noch groß“, hebt Andreas Rother hervor.
So ist bei der Frage nach den Risiken erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie wieder der Fach- und Arbeitskräftemangel die am häufigsten gegebene Antwort. 69 Prozent der Unternehmen sehen hierin ein Risiko für ihre weitere wirtschaftliche Entwicklung. „Es mangelt aber nicht nur an Fachkräften. In Gaststätten und Hotels beispielsweise fehlen flächendeckend Arbeitskräfte“, unterstreicht Jörg Nolte. Neun von zehn Betriebe aus dem Gastgewerbe sehen im Fach- und Arbeitskräftemangel eine Gefahr für die Zukunft.
Im Ranking der Risiken folgen die Energie- und Rohstoffpreise (65 % Nennungen), die Arbeitskosten (58 %) und der Inlandsabsatz (49 %). Seit über zwei Jahren hatten die Energie- und Rohstoffpreise das Ranking dominiert. Im Herbst 2022 sahen sogar neun von zehn Unternehmen in den Energiekosten eine Bedrohung. „Die Energiekosten sind zum Glück nur noch für wenige Unternehmen akut existenzbedrohend. Aber im internationalen Vergleich sind sie einfach viel zu hoch und schaden der Wettbewerbsfähigkeit. Insbesondere für die energieintensiven Unternehmen in unserer Region bleibt es ein täglicher Kampf um die Existenz“, betont Andreas Rother. „Uns droht eine schleichende Deindustrialisierung. Wir verlieren nicht nur Wertschöpfung, sondern auch Arbeits- und Ausbildungsplätze und die wirtschaftliche Kraft, die Energiewende erfolgreich zu gestalten. Die Politik muss das Energieangebot erhöhen, damit die Preise auf ein wettbewerbsfähiges Niveau sinken.“
Von der Weltwirtschaft erwarten die Unternehmen aus Industrie und Großhandel in diesem Jahr wenig Wachstumsimpulse (14 % höhere, 21 % geringere Exporte). Zwei Drittel kalkulieren mit gleichbleibenden Exporten. „Von den im Sauerland und am Hellweg produzierten Industriegüter gehen mittlerweile 42 Prozent direkt in den Export. Diese hohe Quote zeigt, wie wichtig die internationale Wettbewerbsfähigkeit für unsere Industrie ist und wie gefährlich zusätzliche Kosten durch Steuern, Abgaben und Bürokratie für unseren Standort sind“, sagt IHK-Geschäftsbereichsleiter Stefan Severin.
Die Investitionsabsichten haben auf schwachem Niveau wieder leicht angezogen. Nachdem in den letzten beiden Befragungen eine Mehrheit geringere Ausgaben ankündigte, zeichnet sich für die kommenden Monaten ein konstantes Investitionsniveau ab. Zwei Drittel der Befragten geben an, dass sie in den Ersatz von Produktionsmitteln investieren. Erst mit deutlich Abstand folgt das Motiv Rationalisierung (41 % Nennungen). „Wir betrachten mit Sorge, dass Produktinnovationen und Kapazitätsausweitungen nur eine untergeordnete Rolle bei den Investitionsabsichten einnehmen“, stellt Jörg Nolte fest. „Denn solche Investitionen zahlen auf die Zukunft ein, zum Beispiel bei Themen wie der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz. Bleiben die Investitionen dauerhaft niedrig, wird sich dies nachteilig auf die Wettbewerbsfähigkeit auswirken.“
Die Beschäftigung wird sich in den kommenden Monaten auf dem aktuellen Niveau halten. Fast zwei Drittel kündigen an, die Mitarbeiterzahl konstant zu halten. Die Planungen mit größeren und kleineren Belegschaften gleichen sich aus. Unterschiede gibt es aber in den Branchen. Bauwirtschaft, Einzelhandel und Gastgewerbe gehen von kleineren Belegschaften aus. Dienstleister und Großhandel wollen einstellen. In der Industrie und der Verkehrswirtschaft zeichnen sich keine Veränderungen ab.
Foto: IHK
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