2024 werden mit der Europawahl am 9. Juni entscheidende Weichen für die Zukunft der Europäischen Union gestellt. Damit Europa und seine Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland auch für die jüngere Generation ein Stück näher rückt, organisierte die IHK Unternehmensbesuche in den Berufskollegs. Das Ziel: Unternehmerinnen und Unternehmer sollen mit Berufsschülerinnen und -schülern ins Gespräch über Europa und europäische Wirtschaftspolitik kommen und zeigen, wie wichtig es ist, sich an der Europawahl zu beteiligen.
Den Auftakt der EU-Projekttage der IHK Arnsberg machte das Berufskolleg Berliner Platz in Arnsberg-Hüsten. Dort lauschten zwei Klassen der Industriekaufleute sowie eine Klasse der gymnasialen Oberstufe gemeinsam mit ihren Lehrerinnen Elke Richter und Anna Strube dem abwechslungsreichen Vortag von Klaus Röwekamp. Der Senior Vice President Sustainability, Products & Solutions von TRILUX machte den Schülerinnen und Schülern die Bedeutung von Europa klar. „Ein starkes Europa ist für uns als Unternehmen aber auch für mich persönlich als Europäer sehr wichtig. Europa steht für Demokratie, Freiheit und Freizügigkeit. Europa ist unser Markt.“ Anhand des CE-Kennzeichens, das 1993 in der EU eingeführt wurde, und des freien Warenverkehrs machte Röwekamp deutlich, was ein vereintes Europa verändert hat. Gab es früher für jedes Land in Europa unterschiedliche Normen und Vorschriften, so arbeiten wir heute auf gemeinsamen europäischen Rechtsgrundlagen.
Laut Klaus Röwekamp ist die Europäische Union auch beim Thema Fachkräfte von enormer Bedeutung. „Wir brauchen Fachkräfte, egal woher sie kommen. Wir müssen mit dafür sorgen, dass die Menschen Spaß haben, hier bei uns zu arbeiten. Am 9. Juni können wir uns für Europa engagieren und zur Wahl gehen“, erklärte der Senior Vice President Sustainability, Products & Solutions von TRILUX abschließend.
Foto: Ampezzan/IHK
Klaus Röwekamp (Trilux), Berufskollegs Berliner Platz in Arnsberg.
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Klaus Röwekamp (Trilux), Berufskollegs Berliner Platz in Arnsberg.
Der zweite Besuch fand im Berufskolleg Brilon statt. Dort stellte Olga Samus, Geschäftsführerin Verkauf des Unternehmens Egger Holzwerkstoffe in Brilon, die Bedeutung der Europäischen Union für das österreichische Familienunternehmen vor. Ihren Ausführungen folgten angehende Wirtschaftsabiturienten und Auszubildende zu Industriekaufleuten. Einen Schwerpunkt legte Olga Samus auf die Entsendung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Innerhalb der EU sei es dank der Arbeitnehmerfreizügigkeit sehr einfach, für einige Wochen, Monate oder sogar Jahre an einem anderen Egger-Standort zu arbeiten, um sich dort beruflich weiterzuentwickeln. Doch so selbstverständlich sei das in anderen Ländern nicht möglich, berichtete sie aus eigener Erfahrung. Vier Jahre war sie an einem Egger-Standort außerhalb der EU tätig und musste dort zum Beispiel regelmäßig ihr Visum und ihre Arbeitserlaubnis verlängern lassen.
Die Bedeutung des freien Warenverkehrs veranschaulichte Olga Samus am Beispiel Großbritannien. Grundsätzlich tauscht Egger Produkte zwischen den verschiedenen Standorten aus, um schnell auf Kundenwünsche zu reagieren. Seit dem Brexit sei das mit den beiden Standorten in Großbritannien nicht mehr ohne zusätzliche Arbeit möglich. Bescheinigungen über das Ursprungsland, Langzeitlieferantenerklärungen, Verzollung und eine separate Lagerung der Waren sind nötig. Ein Aufwand, den viele Kunden scheuen würden. Auch einige Auszubildende haben schon Erfahrungen mit dem internationalen Geschäft sammeln können und bestätigten den hohen Verwaltungsaufwand.
Foto: Becker/IHK
Olga Samus (Egger) am Berufskolleg Brilon.
Foto: Becker/IHK
Olga Samus (Egger) am Berufskolleg Brilon.
Im Berufskolleg Meschede organisierte Rektor Carsten Placht das Treffen von Schule und Wirtschaft. Ulrich Biene, Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Veltins-Brauerei öffnete etwa 40 Auszubildenden in IT-Berufen und angehenden Industriekaufleuten den Blick auf Europa. Der Wegfall von Handelsschranken und die grenzenlose Reisemöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger seien unschätzbare Errungenschaften der Europäischen Union, die niemand missen möchte. Für die Veltins-Brauerei sei es ein großer Vorteil, wenn ihre Kunden auch an anderen Orten Europas ihr gewohntes Bier genießen könnten. Gerade für das emotionale Produkt Bier sei das wichtig. „Es macht für uns keinen Unterschied, ob wir nach Flensburg oder Italien liefern, der Aufwand ist gleich gering.“ Zudem profitiere Veltins davon, dass Distributeure und Handelsketten über eine zentrale Stelle ganz Europa bedienen könnten.
Natürlich gebe es auch negative Seiten im europäischen Integrationsprozess. Jeder Mitgliedsstaat habe seine Eigenarten und bringe sie in die Gesetzgebung ein. Das mache Entscheidungsprozesse und viele Verfahren oft sehr kompliziert, bürokratisch und koste gerade der Wirtschaft Geld und Nerven. „Doch die Vorteile Europas überwiegen. Daher kann ich nur empfehlen: Europa zu stärken und wählen zu gehen“, so Ulrich Biene.
Foto: Severin/IHK
Ulrich Biene (Veltins) am Berufskolleg Meschede.
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Ulrich Biene (Veltins) am Berufskolleg Meschede.
Vertriebsleiter Lukas Balke und Projektingenieur Marc Stange von Gebhardt Stahl in Werl haben das Hubertus-Schwartz-Berufskolleg in Soest besucht. Gemeinsam stellten sie ihren Arbeitgeber vor und erläuterten anhand konkreter Beispiele, welche Vorteile die EU für das Geschäft des mittelständischen Unternehmens mit Stahl-Profilen bietet. Mit Standorten in Werl und Polen sowie Schwesterunternehmen etwa in den Niederlanden und England ist das Unternehmen europaweit aktiv. „Beim gemeinsamen EU-Binnenmarkt geht es darum, dass auch kleine und mittelständische Unternehmen die Vorteile der EU nutzen können“, erklärte Lukas Balke. Dies belegte er eindrucksvoll mit Zahlen, denn Gebhardt Stahl macht 40 Prozent seines Umsatzes in den EU-Ländern, 51 Prozent in Deutschland und die übrigen 9 Prozent weltweit.
„Wichtig für uns als Unternehmen ist, dass die EU nicht nur klimaneutral werden will, sondern auch die Technologien in Europa erhalten will“, betonte Marc Stange. Um die EU-Klimaziele zu unterstützen, fördert Gebhardt Stahl das Recycling der Materialien und den Einsatz von Stahl mit einem geringeren CO2-Fußabdruck. Mit der Photovoltaik-Anlage auf dem Werksdach deckt das Unternehmen 70 Prozent des eigenen Energiebedarfs.
Foto: Becker/IHK
Lukas Balke und Marc Stange (Gebhardt Stahl) am Berufskolleg Hubertus-Schwartz in Soest.
Foto: Becker/IHK
Lukas Balke und Marc Stange (Gebhardt Stahl) am Berufskolleg Hubertus-Schwartz in Soest.
Georg Lamerz, Kommunikationschef de Hella GmbH & Co. KGaA, als Teil der FORVIA Gruppe der siebtgrößte Zulieferer für Automobiltechnologie weltweit, besuchte das Lippe-Berufskolleg in Lippstadt, das als Europaschule zertifiziert ist. Dort sprach er mit 30 Schülerinnen und Schülern aus der dualen Berufsausbildung. Lamerz betonte, dass Unternehmen von der EU mit freiem Warenverkehr und dem Euro als Währung enorm profitieren. So arbeiten bei Hella 8000 Menschen aus 75 Nationen – allein in Deutschland. In Europa gehören 56 Standorte zum Unternehmen. „Für uns ist es daher wichtig, dass wir Waren schnell und zollfrei bewegen können“, berichtet Lamerz. Und eines ist Georg Lamerz ebenfalls wichtig: „Wir stehen für Werte ein wie Freiheit, Frieden und Menschenrechte und deshalb beteiligt sich Hella auch an der Kampagne „Wir stehen für Werte“. Themen, die auch für die Schülerinnen und Schüler eine wichtige Rolle spielen, wie sich in der anschließenden Diskussion zeigte. Schulleiter Michael Flore betonte, dass die gelebte Kooperation mit den Partnern der dualen Berufsausbildung aus der Umgebung für das Lippe-Berufskolleg als Europaschule eine wichtige Ergänzung des Unterrichts ist. Gerade der direkte Kontakt mit einem Unternehmensvertreter vor Ort führe dazu, dass die Schülerinnen und Schüler die Vorteile der Europäischen Union nicht nur als Bürgerin und Bürger sehen, sondern auch aus der Perspektive eines Unternehmens wertschätzen.
Foto: Wrona/IHK
Georg Lamerz (Hella), Lippe-Berufskolleg in Lippstadt.
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Georg Lamerz (Hella), Lippe-Berufskolleg in Lippstadt.
„Es ist wichtig zu verstehen, warum Europa so bedeutend ist“, betonte Gabi Wilwers zum Einstieg in ihren Vortrag. Vor rund 40 Schülerinnen und Schülern des Berufskollegs in Olsberg zeigte sich die Geschäftsführerin des Unternehmens Oventrop GmbH & Co. KG als überzeugte Europäerin. Besonders wertvoll sei für sie der freie Verkehr von Personen in der EU. Dadurch sei es für Oventrop relativ einfach, Kolleginnen und Kollegen aus Frankreich oder Polen ins Sauerland zu holen. Wilwers: „Internationale Teams sind sehr bereichernd. Es macht total Spaß, international und grenzüberschreitend zusammen zu arbeiten.“ Ein weiteres Thema, das sie herausstellte, ist das europäische Ziel der Klimaneutralität. Der Weg dorthin sei ein Spagat, denn auf der einen Seite müsse sehr viel investierte werden, auf der anderen Seite müsse die Wirtschaft wettbewerbsfähig bleiben. „Das ist eine riesige Herausforderung, aber es ist der absolut richtige Weg“, bekannte die Geschäftsführerin.
Den Abschluss ihres Vortrags verband Gabi Wilwers mit einem persönlichen Aufruf, wählen zu gehen. Bei der Wahl entscheide sich, ob in Europa der Nationalismus wieder an Einfluss gewinne oder die positive Idee der Europäischen Union, „In Vielfalt geeint“, gestärkt werde.
Foto: Becker/IHK
Gabi Wilwers (Oventrop), Berufskolleg Olsberg.
Foto: Becker/IHK
Gabi Wilwers (Oventrop), Berufskolleg Olsberg.