
Werner Rocholl Foto: Wolfgang Detemple
Glücklich und zufrieden
Seit einem Vierteljahrhundert ist Werner Rocholl Prüfer aus Überzeugung und mit Herzblut bei der Sache. Ende des Jahres möchte er sein Ehrenamt niederlegen und dem Prüfer-Nachwuchs Platz machen. Leicht wird ihm der Abschied von seiner Arbeit in den Ausschüssen nicht fallen. „Wenn ich zurückblicke, dann würde ich mich immer wieder dafür entscheiden“, sagt er.
Es war in der Vorweihnachtszeit. Mehr als 50 Prüfungen musste Werner Rocholl vor Weihnachten noch korrigieren. „Als Prüfer kann man durchaus mal Stress haben“, sagt er lachend. Der Spaß an der ehrenamtlichen Tätigkeit aber überwiege deutlich. Werner Rocholl ist Mitglied in fünf Prüfungsausschüssen: bei den Industriemeistern, den Handelsfachwirten, als stellvertretender Vorsitzender bei den Technischen Betriebswirten sowie als Vorsitzender bei den Betriebswirten (IHK) und den Wirtschaftsfachwirten. „Angefangen habe ich aber erst einmal mit einem“, sagt er schmunzelnd und erinnert sich zurück in die 1990er-Jahre. Damals war er als selbstständiger Unternehmensberater im Bereich Projektmanagement deutschlandweit in Betrieben unterwegs und auch als Dozent beim IHK-Bildungsinstitut tätig. Dort, berichtet er, habe man ihn angesprochen und gefragt, ob er sich eine Mitarbeit als ehrenamtlicher Prüfer vorstellen könne. „Ich habe die Chance damals erkannt und ergriffen“, sagt Werner Rocholl. „Wenn ich etwas lehre, dann muss ich jeden Punkt davon erklären können. Und das kam mir in meiner Selbstständigkeit ebenfalls zugute. Ich war sozusagen mein eigener Prüfer.“
Und noch viel mehr. Am 1. Januar 1994 startete Werner Rocholl offiziell in seine Prüfertätigkeit und merkte schnell: Wer die Arbeit in den Ausschüssen neben seinem eigentlichen Beruf machen möchte, der braucht nicht nur eine hohe Fachkompetenz. „Vieles ist mindestens genauso wichtig“, sagt der 76-Jährige aus Möhnesee. „Methodenkompetenz gehört ebenso dazu wie Sozialkompetenz, das heißt, ich muss kommunikationsstark sein, Konflikten begegnen können, teamfähig und sicher in Frage- und Präsentationstechniken sein.“ Und auch persönliche Kompetenzen seien gefragt: Verschwiegenheit, Genauigkeit, Loyalität, Termintreue, Zuverlässigkeit und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. „Und mindestens genauso sehr kommt es darauf an, dass man Spaß hat am Lernen, immer neugierig und wissbegierig bleibt und gerne über den Tellerrand schaut“, sagt Werner Rocholl.
Das fängt beim eigenen Fachgebiet an. Genauer gesagt: eben dort hört es nicht auf. An der Arbeit in Prüfungsausschüssen weiß Werner Rocholl deshalb sehr zu schätzen, dass sich dort Mitglieder mit verschiedenen Fachschwerpunkten ergänzen. „Im Austausch mit den anderen Prüferinnen und Prüfern erweitert man so immer seinen eigenen Horizont.“ Angefangen von der Vorbereitung der Prüfungen über die Durchführung und Beurteilung der Leistungen bis hin zur Nachbereitung arbeiten die Mitglieder der Ausschüsse eng und vertrauensvoll zusammen. „Das Schöne daran ist, dass man nicht nur selbst viele wertvolle Erfahrungen für die Aus- und Weiterbildung im eigenen Unternehmen sammelt, sondern zur Sicherung der Qualität einer ganzen Branche beitragen kann, indem man das Niveau der Prüfungen hoch hält.“
Das sei stets auch eine Gratwanderung und die wohl größte Herausforderung, die Prüfer leisten müssten, sei es, eine gerechte Beurteilung der Kandidatinnen und Kandidaten zu treffen. „Zu locker darf man das nicht sehen, denn ein IHK-Abschluss muss ein Gütesiegel sein und bleiben“, betont Werner Rocholl. Und außerdem formal auf sicheren Füßen stehen. Denn nichts sei ärgerlicher, als wenn bei einer Anfechtung ein Verwaltungsgericht auf Formfehler stoße. Die entsprechenden Prüferschulungen, die die IHK anbiete, seien deshalb eine sehr gute Grundlage, um als Prüfer sicher zu arbeiten.
Und obwohl die Ehrenamtlichen eine große Verantwortung tragen, bedeutet das nicht, dass in Prüfungssituationen nicht auch mal geschmunzelt wird. So erinnert sich Werner Rocholl zum Beispiel amüsiert daran zurück, wie eine Kandidatin einmal eine Präsentation mit verschiedenen Folien an einem Projektor gehalten hat. Die einzelnen Folien lagen auf der Fensterbank, sodass es von Folie zu Folie immer einen kleinen Bruch gab, bis es weiterging. Und das war tatsächlich so gewollt: „Die Kandidatin erklärte uns, dass sie befürchtet habe, dass wir sonst nicht mitkommen“, berichtet Werner Rocholl. Dabei sei das für Mitglieder von Prüfungsausschüssen dank ihrer hohen Fachkompetenz das kleinste Problem. „So können wir immer auch schnell erkennen, ob die Projektarbeit, die Betriebswirte erstellen müssen, tatsächlich ein betriebliches Projekt oder ein theoretisches gedankliches Konstrukt gewesen ist“. Dabei würde sich Werner Rocholl wünschen, dass Unternehmen noch stärker erkennen, dass auch sie von derartigen Projekten beziehungsweise Weiterbildungen ihrer Mitarbeiter profitieren können.
Der Kontakt mit jungen, ehrgeizigen Menschen, die harmonische und engagierte Zusammenarbeit in den Prüfungsausschüssen sowie das fachliche „Am-Ball-Bleiben“ – für all das, sagt Werner Rocholl, lohnt es sich, Zeit zu investieren, denn das „macht glücklich und zufrieden. Vielleicht ist es am Anfang nicht ganz einfach, Beruf und Ehrenamt unter einen Hut zu bekommen. Aber mit ein wenig Organisation klappt das sehr gut.“ Er freut sich, dass er dadurch auch den Zugang zu einem regionalen Netzwerk von Institutionen und Unternehmen aus der eigenen Branche bekommen hat. „Auch diesem habe ich unzählige Anregungen für den eigenen Arbeitsalltag zu verdanken“.
Ein dreiviertel Jahr lang wird Werner Rocholl noch als Prüfer für die IHK im Einsatz sein, bevor er im Dezember sein Amt niederlegen wird. Eine Aufgabe, von der er jetzt schon weiß, dass sie ihm fehlen wird. „Ich werden die netten Kolleginnen und Kollegen in den Ausschüssen vermissen. Und auch die jungen Menschen. Es lohnt sich auf jeden Fall, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen und einen Beitrag zur beruflichen Zukunft der Nachwuchsfachkräfte zu leisten. Denn als Region der Weltmarktführer brauchen wir sie dringend“.