Boulevard 55

Foto: Ampezzan/IHK


Ein Gefühl, als ob die Zeit stehenbleibt

Tugay Domurcuk ist ein Gastronom mit Leib und Seele. Gemeinsam mit seiner Frau Zehra betreibt er mit viel Herzblut und Leidenschaft das Lokal Boulevard 55 in Neheim. Doch auch vor dem Restaurant, das zudem Cocktailbar, Café und Lounge ist, hat die Corona-Pandemie keinen Halt gemacht.

Schon seit mittlerweile 15 Jahren hat das Boulevard 55 im Kaiserhaus in der Neheimer Möhnestraße seinen Sitz. Entstanden ist das Lokal im Zuge der Eröffnung des Kaiserhauses im Jahr 2005. „Wir haben damals quasi von Null angefangen und das Boulevard 55 in ehemaligen Büroräumen von Kaiser-Leuchten aufgebaut“, erzählt Tugay Domurcuk. Anfangs nur als Cocktailbar gedacht entwickelte es sich im Laufe der Jahre immer mehr hauptsächlich zu einem Restaurant mit einem „Kombipaket“ aus Cocktailbar, Café und Lounge, in dem insgesamt acht Mitarbeiter tätig sind.

Besonders in den vergangenen drei Jahren lief das Geschäft, in dem beim Betreten direkt die lange Theke und das große Regal mit den verschiedensten Getränken und Spirituosen ins Auge stechen, gut. Doch dann kam Corona. Und der Lockdown im März: Ein absoluter Schock für Tugay Domurcuk. Die Folge waren schlaflose Nächte, Existenzängste und eine große Ungewissheit. Schließlich liefen beispielsweise Fixkosten weiter. „Das Virus war erst so weit weg. Den Lockdown hätte ich in dieser Härte niemals kommen sehen. Es war so, als würde die Zeit stehen bleiben. Es stellen sich einem dann so viele Fragen: Was macht man mit den Mitarbeitern? Wie lange kommt man mit den Rücklagen aus? Man hat Nachrichten geschaut und nach Lösungen gesucht“, berichtet der gelernte Hotelfachmann und Koch, der schon früher in Bars gearbeitet hat.

Insgesamt sieben Wochen lang war das Boulevard 55 aufgrund des Lockdowns im März geschlossen. Die unfreiwillig freigewordene Zeit wussten Tugay Domurcuk und seine Frau Zehra aber zu nutzen. Der Laden wurde einmal komplett ausgeräumt, geputzt und detailliert auseinander genommen. Darüber hinaus wurden notwendige Reparaturen und eine Inventur durchgeführt. Was auch aus dem Corona-Lockdown resultierte, war die Tatsache, dass aus einer sonst Sechs-Tage-Arbeitswoche plötzlich viel Freizeit wurde. Für Tugay Domurcuk ein ungewöhnliches Gefühl. „Wir Gastronomen stehen eigentlich ständig unter Strom. Dass wir dann auf einmal so viel Freizeit haben, so etwas kennen wir ja gar nicht“, sagt der türkischstämmige Betreiber des Boulevard 55 schmunzelnd. Die freie Zeit nutzte Domurcuk zudem, um sich mit den zahlreichen Hygieneauflagen vertraut zu machen und diese genau umsetzen. Das Lokal wird jetzt, zum Beispiel, noch mehr desinfiziert als es ohnehin der Fall war. Außerdem dokumentieren der Gastronom und sein Team wie vorgeschrieben die Anwesenheit aller Gäste. Besonders gut angenommen von den Gästen wird die Möglichkeit, die Speise- und Getränkekarte nun via Smartphone und dazugehörigem QR-Code aufzurufen, statt die vormals üblichen Papier- oder Plastikkarten zu benutzen. Tugay Domurcuk: „Man merkt aber schon, dass die Kunden wieder etwas unternehmen wollen. Manche sind verständlicherweise noch etwas verunsichert, doch das Vertrauen kommt wieder.“

Finanziell macht sich die Corona-Pandemie auch im Boulevard 55 bemerkbar. Um knapp 40 Prozent sind die Einnahmen gegenüber der „Vor-Corona-Zeit“ gesunken. Das liegt unter anderem daran, dass im Kaiserhaus momentan zum Beispiel keine Veranstaltungen stattfinden können. Fraglich ist auch noch, wie gegen Ende des Jahres mit Weihnachtsfeiern umgegangen wird. Bisher sind wegen der noch unsicheren Lage keine Reservierungen eingegangen. Das ist in der Vergangenheit um diese Jahreszeit stets anders gewesen. Außerdem stiegen die Kosten, unter anderem durch das Anschaffen von Desinfektionsmittel und das tägliche Drucken von Anwesenheitslisten. Ein zweiter Lockdown wäre für Tugay Domurcuk ein Horrorszenario. Doch der Boulevard 55-Betrieber blickt zuversichtlich in die Zukunft: „Es ist ein Aufwärtstrend zu spüren und es geht auch wieder in die richtige Richtung. Die Soforthilfe ist schon eine Hilfe gewesen und zeigt, dass die Regierung an uns Gastronomen denkt. Ich bin mir sicher: Wenn wir weiter alle an einem Strang ziehen, werden wir zur Normalität zurückkehren können.“